Presseschau

Zu Menschen und Maschinen schrieb die taz am 23.9.2020:

https://taz.de/Neue-Musik-aus-Berlin/!5715462/

Rock’n’Roll als Klassenkampf

von Jens Uthoff

Die Berliner Postpunk-Band Black Heino ist dagegen etwas irdischer unterwegs und sucht das Paradies im Hier und Jetzt – ganz im Marx’schen Sinne setzt die Combo dabei auf die Veränderung der Produktionsverhältnisse. „Menschen und Maschinen“, so der Titel des neuen Albums, ist inhaltlich tatsächlich Klassenkampf mit den Mitteln des Rock’n’Roll.

Insbesondere geht es den Herren um Sänger und Gitarrist Diego Castro darum zu beschreiben wie das Nutztier Mensch im Zeitalter von (Ro)Bots und KI langsam überflüssig wird: „Menschen und Maschinen/ ein neues Wesen macht sich breit/ das Gespenst der Nutzlosigkeit/ Menschen und Maschinen/ sie sind Freunde in der Not/ kommen vom Band und nicht vom Boot“, singt Castro.

Black Heino haben schon auf früheren Alben auf kluge Art und Weise Kritik an den Verhältnissen – um mal im Jargon zu bleiben – formuliert. Mit dem Album „Heldentum und Idiotie“ (2016) entwickelten sie ihren Stil zwischen Fehlfarben-Postpunk und Garage Punk/Rock, es folgten zwei viel versprechende EPs (von einer ist hier noch der Song „Pfaffenbrot“ enthalten).

Stilistisch breiter aufgestellt

„Menschen und Maschinen“ ist musikalisch ein ordentlicher Schritt nach vorn, dem Sound hat es gut getan, dass Beatsteaks-Drummer Thomas Götz das Album produziert hat. Denn stilistisch sind Black Heino jetzt breiter aufgestellt, die Rock-Kanten sind klarer zu hören.

Die vielen Zitate sind toll, der Anfang des Titelsongs weckt Reminiszenzen an Bowies „Let’s Dance“ und den Drum-Beat von „Be my Baby“ (The Ronettes), „Alexa!“ erinnert ein bisschen an „Lost in The Supermarket“ von The Clash (und an noch irgendwas anderes, das mir gerade nicht einfällt…).

Ein äußerst gescheites Werk, das bestens in unsere Zeit passt und nicht nur die schöne neue Arbeitswelt besingt („Homo Oeconomicus“, „Bambusschrott“), sondern auch über Bürgerrechte und Mündigkeit im digitalen Zeitalter sinniert („Alexa!“, „Social Bots vs King Ludd“). In diesem Sinne: Hoch die internationale Solidarität!“

The Gap: https://thegap.at/muttersprachenpop-die-wichtigsten-veroeffentlichungen-im-september-2020/

Menschen und Maschinen beim Ox-Fanzine:

https://www.ox-fanzine.de/ox-152-ab-110-erhaeltlich

Kritik zu“Menschen und Maschinen“ auf Plattentests.de : https://www.plattentests.de/mobile/rezi.php?id=17187

Der Tagesspiegel: https://www.tagesspiegel.de/kultur/black-heino-idles-bob-mould-die-pop-alben-der-woche-im-soundcheck/26216310.html

Der Spiegel: https://www.spiegel.de/kultur/musik/idles-crucchi-gang-public-enemy-marie-davidson-and-l-oeil-nu-black-heino-neue-alben-a-4e5b5573-acd6-4327-88fb-16de79130a15

Asis mit Adorno

Black Heino machen Garagenrock gegen die Mittelklasse

Von Christof Meueler

jw, Ausgabe vom 04.07.2018

 Black Heino hassen Deutschland und seine Intellektuellen, kann ihnen bitte jemand mal Bier bestellen?

Black Heino: »Fear of a Black Heino« (Tapete)

»Ab morgen spielst du in meiner Band, sonst gibt es Ärger« – so hat Jürgen Zeltinger den Gitarristen Arno Steffen für seine Band rekrutiert. Auf der Straße, Ende der 70er Jahre in Köln. Die Musik galt als »Punk«, dabei war das Pubrock, hart, aber herzlich.

Zeltinger, ein frühes kneipenstolzes, schwules Rolemodel, sang 1981 auf seiner zweiten Platte den unsterblichen Refrain: »Ich bin ’nen Asi mit Niwoh / lese Lyrik auf dem Klo / ich poliere Kritikern die Fressen / für die Band mach’ ich das Abendessen.« Genau der wird jetzt von der Berliner Band Black Heino ins ebenfalls Unsterbliche neubearbeitet: »Ich hasse Deutschland und seine Intellektuellen / kann mir jemand mal ein Bier bestellen / ich bin ein Asi mit Niveau / ich lese Adorno auf dem Klo.«

Auch Black Heino werden irgendwie für »Punk« gehalten, weil sie ein bisschen wie die frühen Fehlfarben dengeln und quengeln. Aber die waren ja verzerrter Ska. Und Black Heino machen stromschnellen­artigen Garagenrock mit Sixties-Orgel. Diego Castro, der leider für dieses Feuilleton viel zu selten geschrieben hat, singt irgendwo zwischen Peter Hein und Ray Davies.
Ihre EP »Fear of a Black Heino« hat nur vier Stücke, so kann man sich besser konzentrieren.

Fünf Minuten vierzig geht es dankenswerterweise über und gegen »Die Mittelklasse«, den Glutkern der bundesrepublikanischen Reaktion und Stumpfheit: »Was sollen sie zur Weihnacht schenken / wie wollen sie die Kinder kränken? / Und immer schön an das schlechte Wetter denken / und schuld daran ist nur die SPD. / Dann kommen 100 Hände (Anm. der Band: Es muss heißen „Hungerkinder“) aus Afrika / mit schwarzen Augen durch die Kamera / schlechte Gewissen machen die Welt / zu einem schlechteren Platz mit ihrem bisschen Geld.« Das ist noch am ehesten Punk, auch wenn das Lied wie ein Blues anfängt. Eine Mischung aus Roger Whittacker und The Seeds. Hol dir die EP, sonst gibt es Ärger.

Radio Eins schrieb:

Haha. Guter Bandname. Oder blöder Bandname. Was sind das nur für Typen? Die drei Black Heinos klingen wie eine deutsche Beatkapelle der 60er, die versucht die frühen Fehlfarben nach zu spielen und dabei Themen verhandelt, die eigentlich keine mehr sind: Guido Knopp z.B. Absurd. Aber toll. Räudiger Garagenrocklärm, der in der deutschen Szene endlich mal wieder fällig war. Wahrscheinlich sind Black Heino klüger als ihre Kritiker.

Andreas Müller (radioeins)

Soundcheckwertung: 2 x Hit & 2 x geht in Ordnung.

Die Ruhrbarone sagten dereinst:

Black Heino sind nicht die Berliner Verwandten des blonden Barden aus dem Sauerland. Obwohl ich vermute, dass der Bandname schon eine Art negative Allegorie darstellen soll.
Wenn Kraftklub mittlerweile die Massen in den Stadien begeistern sind Black Heino das raue, dunkle Pendant, das noch der Entdeckung harrt.
Heute Abend ab 21 Uhr live im Grend in Essen Steele.
Die scheppernden Gitarren haben ihre Wurzeln im Garagen-Rock der Sechziger. Der herausgepresste Gesang verweist auf Wurzeln im Punk. Auch textlich liegt man da richtig. Wie ihr bei „Weniger Staat“, dem Statement der band gegen „Neoliberalen Bullshit“ selber gut raushören könnt.

Seit dem Frühjahr hole ich ihr Album „Heldentum und Idiotie“ ( welch geiler Titel) regelmäßig hervor und warte sehnsüchtig auf einen Auftritt der Band..
Wer sich mit mir freuen will, kommt heute Abend ins Grend nach Essen Steele und taucht mit in den Garagesound ein.

Aus: Junge Welt Ausgabe vom 20.10.2018, Seite 11 / Feuilleton

DEUTSCHPOP

Black Heino ist nicht tot

Es wird diesen Moment geben. Diesen Moment, wo die Worte »Paul ist tot, kein Freispiel drin« fallen werden – schwer, schön, erhaben. Peter Hein, der Bryan Ferry aus dem Rheinland, ewiger Sänger der Fehlfarben, wird diese Worte intonieren, und das ist hundertpro sicher, denn die Fehlfarben, Band der Stunde Null in Sachen NDW, werden ihr gesamtes Debütalbum »Monarchie und Alltag« von 1980 vorspielen auf dieser Tour. Aber das wird nicht alles sein, was wird. Es wird auch eine Vorgruppe geben, die das Niveau schon mal vorgibt. Eine Vorband, die Titel im Programm hat, die »Eigenheim« lauten, »Die Mittelklasse« oder »Weltzeituhr« und die ebenso den guten Rock mit dem schmissigen Hintersinn verbinden kann, nur in etwas geiler, weil jünger: Black Heino sind gemeint. Black Heino, die Band aus Hamburg und Berlin, die nicht zu verwechseln ist mit dem wahren Heino oder dem Wahren Heino, jetzt neu mit Yves Fontanille am Bass, Kpt. Plasto wieder zurück an der Gitarre und mit der im Mai erschienenen EP »Fear of a Black Heino« (Tapete) im Gepäck, die nicht ohne Grund an Public Enemy erinnert. Also, hingehen da. Is’n Befehl. (jW)

ByteFM, Antikörper Sessions, Ausgabe vom 14.12.2018: Black Heino + Messer

 In der heutigen Ausgabe von Antikörper hat Moderator Mark Kowarsch die beiden deutschen Bands Black Heino und Messer eingeladen.

Fear Of A Black Heino? Die Irritation ist durchaus beabsichtigt. Auch künstlerisch gehören Black Heino zum Interessantesten und Bissigsten, was deutschsprachige Rockmusik im Postmillennium bietet.

Trockener Norden trifft auf die Härte Berlins. Die drei Hamburger Max Power, Diego Castro und Cpt. Plasto (seit ihrer 2018 Tour mit Fehlfarben sind Black Heino sogar zu viert!) entern den Existentialismus der ehemaligen Reichshauptstadt.

Bewaffnet mit fräsendem Garagenrock, Bierdeckel-Pubrock, Lo-Fi Trash, Postpunk-Attitüde und einem ordentlichen Schuss Agitationsvocals nehmen Black Heino alles aufs Korn, was die absurden Zeiten des ökonomischen und ethischen Verfalls zu bieten haben

https://www.byte.fm/sendungen/antikoerper/2018-12-14/23/black-heino-messer/

Aus der Taz:

Der Dreck unter den Fingernägeln

ROCK ‘N‘ ROLL Den Sozialabbau hittauglich besingen, das ist schon mal eine Leistung. Black Heino kann es und stellt heute sein Debütalbum vor

„Heldentum und Idiotie“ dürfte zu den besten Berliner ­Debüts 2016 zählen

Eigentlich ist es ziemlich öde, einen Text mit Bandnamen oder Songtiteln zu beginnen – in diesem Fall aber muss es sein. Denn erstens ist Black Heino ein formidabler Name für eine Rock-’n’-Roll-Combo. Und zweitens ahnt man schon, dass ihr Album klasse sein könnte, wenn die Songs „Guido Knopp“, „Die Rache von Jürgen Ponto“ und „Eigenheim“ heißen. Amüsant bis vielsagend ist zudem die Tatsache, dass der Gruppe aufgrund ihres Bandnamens und des Covers ihrer Debüt-EP ernsthaft Rassismusvorwürfe gemacht wurden. Dazu reichte es aus, den real existierenden Heino schwarz zu bekritzeln.

Was er diesen Kritikern trefflich entgegnet habe, sagte Sänger und Gitarrist Diego Castro jüngst in einem Radiointerview: „Ihr seid ja bekloppt.“ Der Name stehe einfach für ein Spiel mit vielen Klischees. Das wäre somit geklärt, und nun können wir uns darauf konzentrieren, wer und was sich eigentlich hinter Black Heino verbirgt. Black Heino sind drei – wie sagt man so schön euphemistisch – „Männer im mittleren Alter“, die eigentlich aus Hamburg stammen, aber schon seit vielen Jahren in Berlin, genauer: Kreuzberg, zu Hause sind. Neben Die­go Castro sind dies Timm Beier am Bass und Max Power am Schlagzeug.

Nun erscheint das erste volle Album „Heldentum und Idiotie“, das zu den besten Berliner Debüts dieses Jahres zählen dürfte. Im Schöneberger Plattenladen Dodo Beach wird das Release heute gefeiert und begossen, natürlich mit einem Live-Auftritt.

Es gibt ein paar Koordinaten, anhand deren man Black Heino gut einordnen kann. Da sind zum einen große Portionen Garage und Psychedelic Rock, aus denen die Musik Black Heinos besteht. Dazu kommt eine gewisse Fehlfarben-Einfärbung, die sich etwa im Gesangsduktus ausmachen lässt. Derweil zieht sich ein gesundes Maß an angepisster Grundhaltung durch die zehn Stücke, bei denen einem etwa The 13th Floor Elevators, MC5 und The Kinks in den Sinn kommen mögen. Produziert hat das Album der allseits gefragte Moses Schneider (Beatsteaks, Tocotronic etc.). Zum Glück hat er das Garagige im Sound beibehalten, es bei dem Dreck unter den Fingernägeln belassen.In den deutschen Texten Black Heinos ist das Unbehagen in der aktuellen gesellschaftspolitischen Gemengelage spürbar. Am deutlichsten wird das im Stück „Europa: Zwei Frauen“, das auf die desolate EU-Flüchtlingspolitik abzielt („Aufs Mittelmeer, aufs Mittelmeer/ziel ich mit dem Schießgewehr“) und generell wie ein Abgesang auf das gegenwärtige Europa klingt. Als Antwort auf das Versagen der Zivilgesellschaft in so manchem ostdeutschen Landstrich kann man das Eröffnungsstück „Der Osten“ verstehen: „Einverstanden mit Ruinen/ und dem Wachstum abgewandt/ Einverstanden mit Ruinen/ die Zukunft, die bleibt unbekannt/ Macht, was ihr wollt mit diesem Land“, heißt es da. Im so klugen wie hittauglichen Song „Weniger Staat“ geht es dagegen um Sozialabbau: „Weniger Staat hab ich mir anders vorgestellt“.

Wobei die Stärke vieler Lieder eben auch aus dem bereits erwähnten Spiel mit Klischees besteht – man kann sich bei den meisten Stücken nie ganz sicher sein, was das Gesagte und was das Gemeinte ist. Obwohl die Musik von Black Heino also eher der alten Rocktradition frönt, sind sie auch dank solcher Lyrics zeitgemäß und regen zur Auseinandersetzung an.

Da man sich in Deutschland mit gutem Rock ’n’ Roll von jeher schwer getan hat, hebt man sich musikalisch vom hiesigen Einerlei spielend leicht ab. Laut Band-Info geht es dem Trio auch darum, den hiesigen „Rockproduktionen, die das Land mit unerträglicher Authentizität, Intimitätsterror und Gefühlsgrütze eingedickt haben“, etwas entgegenzusetzen. Und, mal ehrlich, wer könnte das besser als Musiker, die sich Black Heino nennen. JENS UTHOFF

My Favourite Records mit Black Heino

VON CHRISTIAN IHLE (monarchie & alltag, taz 26.07.2016)

Auch wenn der Bandname zunächst an lustigen Funpunk denken lässt, könnten Black Heino nicht weiter davon entfernt sein. Das neue Signing von Tapete kreuzt Mod-Einflüsse und eine Vorliebe für die G.I.-Garagenrocker The Monks mit der Überdrehtheit der späteren Goldenen Zitronen und ist dabei textlich näher an Schorsch Kamerun als an den Abstürzenden Brieftauben. Bestes Beispiel ist „Weniger Staat“, ein Song, der zu Post-Punk-Gitarren Fragen verhandelt, wie denn unser gesellschaftliches Leben aussehen soll und dabei anarcholibertäre Ideen, die aber eben auch einem Neoliberalismus durchaus nicht allzu fern liegen, gegen eher sozialistisch/sozialdemokratisch geprägte Auffassungen eines Staatsverständnisses stellen. Und trotzdem knallt der Song. Muss man auch erstmal schaffen!
* Die drei besten Punksongs/-singles?

1
Max: The Clash „(White man) in Hammersmith Palais!“
Diego: Gute Wahl! Meine erste Punk-Platte und der erste Song, der Punk und Reggae vereinte!

2
Diego: Punk wurde in Deutschland erfunden und zwar 1965 im hessischen Gelnhausen, von 5 amerikanischen Soldaten: The Monks!
Die traten mit Galgen um den Hals und Mönchstonsur als Anti-Beatles auf.
Max: Ein Zuschauer wollte die sogar erwürgen, wegen Gotteslästerung! Bester Song: „Monk Chant“.

3
Diego: Punk war eine ziemliche Macker-Domäne, wie fast alle Rockmusiken. Deshalb muss hier auf jeden Fall eine Frau her:
Poly Styrene war eine tolle und schlaue Sängerin. „Identity“ ist best female punksong ever!

* Ein Song, der Dich immer zum Tanzen bringt?

Max: Howard Carpendale- „Du hast mich“. Heute ein Kult-Song bei den Mods, an den sich Howie nicht mehr erinnern kann.
Diego: Ich bin großer Fan von Northern Soul. Am liebsten mag ich „Exus Trek“ von Luther Ingram. Schnelligkeit und Melancholie – der Sound des Nordens.

* Ein Song zum Trinken? Wein, Bier oder was passt dazu?

Max: Black Flag- „Six Pack“, kein Song über Bauchmuskeln!
Diego: Nicht lachen, aber „Red, Red Wine“ ist ein prima Song, allerdings nicht in der Horror-Version von UB40 sondern, das Original von Tony Tribe.
Max: Zum Biertrinken könnte man als Berliner „Kindl-Träume in der Mauerstadt“ von der Deutschen Trinkerjugend vorschlagen, eine Coverversion, so schlau wie Bier.
Diego: Ich persönlich gehe beim Biertrinken mit mathematischer Genauigkeit vor und höre deshalb dabei nur Zwölftonmusik.

* Die interessanteste / beste „neue“ Band/Künstler ist?

Diego: P.U.F.F. sind derzeit die massenuntauglichste, räudigste und dabei künstlerisch wertvollste Nachwuchsband in unserem Kiez.

* Deine liebste deutschsprachige Textstelle?

Diego: „Ich will Lokomotivführer werden – Tuut, tuut!“ von Andreas Dorau.

* Der beste Song über Revolte, Aufruhr und Revolution?

Diego: Da gibt es so viele! Die meisten taugen nichts.
Max: Einigen wir uns auf etwas deutschsprachiges mit realistischen Zielen: Tocotronic – „Ich möchte Teil einer Jugendbewegung sein“.
Diego: In unserem Alter ein unrealistisches Ziel. Aber wie sagte Che Guevara? Seien wir realistisch! Versuchen wir das Unmögliche!

* Peter Hein, Schorsch Kamerun oder Jochen Distelmeyer – und warum?]

Diego: Eindeutig Peter Hein. Obwohl er mich, wie jetzt oft behauptet wird, als Textautor nicht stark beeinflusst hat. Kamerun und Distelmeyer respektiere ich und finde, dass sie auf ihre Art großartige Texter sind. Aber mir benutzen sie schlichtweg zu viele Worte. Zuviel Diskurs und wenig Platz für Assoziationen. Lyrics impliziert Poesie. Die finde ich bei Peter Hein, im Sinne von Wondratschek oder Brinkmann.

* Der beste Song, den Du je geschrieben / aufgenommen hast?

Max: „Europa, zwei Frauen“. Das ist für uns der wichtigste Song, ein Wendepunkt, bei dem klar wurde, dass bei Black Heino etwas geschieht. Musikalisch war das eine andere Ebene und textlich auch. Als wir das vor 4 Jahren im Übungsraum zum ersten Mal spielten, war das als wenn eine Tür aufgeht. Krass ist auch, dass der Song seitdem an politischer Aktualität nichts eingebüßt hat.

* Die schlechteste Platte, die Du Dir letztes Jahr angehört hast?

Diego: Ich hasse die meiste zeitgenössische Musik, daher fällt es mir schwer zu sagen, was ich am schlechtesten fand. Deshalb will ich nicht ungerecht sein: Ich finde alles gleich schlecht.

* Der beste Song in diesem Jahr bisher dagegen war…?

Diego: An Klaus Johann Grobe kommt man im Moment nicht vorbei. Merke: Analog ist besser! „Geschichten aus erster Hand“ ist ein genial vernebelter Smash-Hit. Hoffentlich klart das nicht irgendwann auf.
* Die beste deutsche/deutschsprachige Platte?

Diego: Schwierige Frage. Aus persönlicher Sicht: Ich kaufte mir als Schüler 1990 eine Platte, die hieß „Ich schäme mich Gedanken zu haben, die andere Leute in ihrer Würde verletzen“ und war von einer Band mit dem ebenso assoziationsreichen Namen Mutter. Gekauft hatte ich sie wegen dem irren Titel, aber danach war mir klar, dass ich Musik nur noch in deutscher Sprache machen will. Max Müller ist bis heute einer der besten deutschen Texter.

* Die beste Platte aller Zeiten?

Max und Diego: Klare Sache. „Heino – In einer Bar in Mexico, Seine größten Erfolge 2“. Aber nur auf Acid hören, sonst droht Gefahr für Geist & Seele.

Aus dem Musikexpress:

Black Heino

Heldentum und Idiotie

Tapete/Indigo

Garage-Rock, Pop-Punk und ein schlechter Traum von Beate Zschäpe: Drei Berliner stellen sich als Antifa-Brüllkommando zum Mitsingen auf.

Es bedarf keines Führerscheins in Pop-Linguistik, um den Bandnamen Black Heino in einer Zeit zu verorten, als deutsche Gruppen sich Abwärts, Kriminalitätsförderungsclub und Flying Klassenfeind nannten, als Punkrock zur heißen Folie für Dissidenz und Subversion wurde. Es ging bekanntlich auch eine Nummer schlichter, der Wahre Heino avancierte in jenen Tagen zum Betriebsmaskottchen der Toten Hosen und führte den „Scheißladen“ in Berlin-Kreuzberg. Wären die Jungs von Black Heino 1980 schon unterwegs gewesen, Heino Hähnel hätte sie zur Hausband in seinem Record Store gemacht.

2015 bewarben sie sich auf einem Konzertplakat als „beliebte Tanzkapelle“, daneben ein dunkelhäutiger Heino-look-a-like mit Perücke und Sonnenbrille, Headline: „Fear Of A Black Heino“. Das bisschen Retro-Spaß darf sein, auf ihrer – Bowies „HEROES“ und Iggy Pops THE IDIOT zitierenden – Debüt-Platte stellt die Band sich aber in Abgrenzung zu „Authentizität, Intimitätsterror und Gefühlsgrütze“ der Indie-Lifestyler weit programmatischer auf: als Update eines rock’n’rolligen Antifa-Kommandos, dessen Vorsänger sich auf seine Art formvollendet durch Texte mit Wörtern wie Volkswirtschaft, Abschiebehaft, Kontrollgesellschaft und Diskursbomber grölt.

Diego Castro (Gitarre/Leadgesang) Kpt. Plasto (Bass/Chor) und Max Power (Schlagzeug) springen in diesen zehn Songs zwischen Garage-Rock und poppigem Mitsing-Punk hin- und her – pendeln zwischen ehernen Linksaußen-Gewissheiten und Kapitalismuskritik 3.0. Es gibt eine Häuslebauer-Klatsche mit einem Beinahe-Who-Riff („Eigenheim, Eigenheim, ich baue dich kurz und klein“), einen Guido-Knopp-Diss mit Blues-Harp-Solo, am Ende steht ein bleiernes Fazit mit RAF-Referenzen, und die Rache des Jürgen Ponto reimt sich auf – na? – Konto.

Das geht besser: Ihren ärgsten Feinden wünschen Black Heino einen schönen Horrortrip ins Schlafzimmer: „Träum schlecht vom Sex mit Beate Zschäpe“ („Europa: zwei Frauen“).

Aus dem Deutschlandfunk:

Rockband Black Heino

„Widerständigkeit ist uns wichtig“

Diego Castro ist der Sänger der Band Black Heino. Das Trio hat gerade mit „Heldentum und Idiotie“ ihr Debütalbum veröffentlicht. Ihre Musik ist lärmend, scheppernd, politisch und spielt mit Klischees. „Ja, jetzt mal Faust aufs Auge, das ist genau das Richtige“, würden viele Leute denken, wenn sie die Musik der Band hören, so Diego Castro.

Diego Castro im Corsogespräch mit Anja Buchmann

Anja Buchmann: Im Juli 1976, vor 40 Jahren, ist in England die erste Punksingle veröffentlicht worden: „New Rose“ von The Damned. Und anlässlich des 40. Geburtstags der Punk-Bewegung, angesiedelt mit dem Debütalbum der Sex Pistols im November, will der Sohn von Vivienne Westwood und Malcolm McLaren seine Punk-Sammlung verbrennen. Wie viel Punk ist in Ihrer Musik?

Diego Castro: Wie viel Punk ist in unserer Musik? Ich würde sagen – großes Missverständnis ist, dass wir eine Punkband sind. Wir sind eine Band, die mit Punk sozialisiert wurde, für die Punk Widerständigkeit beinhaltet, das ist für uns wichtig. Aber musikalisch gesehen sind wir eigentlich eher eine Rhythm and Blues-Band, die sozusagen die Gegensätze vereint, dass man auf der einen Seite auf eine Back To Basics-Rockmusik steht (oder wieder da hinkommen will) und auf der anderen Seite die Prägung natürlich hat durch eine Musik, die in Deutschland (damit) anfing mit deutschen Texten, Inhalte zu bringen, die sich festgesetzt haben und eine Methodik zu bringen, die (sich ebenfalls) festgesetzt hat. Aber ich würde uns nicht als Punkband bezeichnen.

Buchmann: Also inhaltlich würden Sie schon mit einem gewissen politischen Anspruch beziehungsweise auch einer gewissen Widerständigkeit d’accord gehen, aber musikalisch nicht.

Castro: Nein, (musikalisch) nicht wirklich.

Buchmann: Es wurde geschrieben, dass auch ein bisschen Hamburger Schule in Ihnen steckt, da wiederum hab ich ein kleines Fragezeichen hinter – können Sie sich damit anfreunden?

Castro: Ja, das kann ich auf jeden Fall, weil ich bin zum Beispiel im selben Alter (bin) wie die Jungs von Tocotronic. Ich hab damals auch Musik gemacht, leider erfolglos. Das ist für mich auch eine Prägung gewesen, zu sehen, hier sind Jungs aus meiner Heimat – ich komme ja auch aus dem Hamburger Umland…

„Ich habe keine Ambitionen auf ein internationales Publikum“

Buchmann: Sie haben auch länger in Hamburg selbst gelebt?

Castro: Ich habe auch in Hamburg gelebt. Aber ich komme aus Buxtehude, wie wir alle übrigens. Aber das war so: Auf einmal war eine Musik da… ich sag mal, die ersten Bands, die man mitkriegte, waren Kolossale Jugend, Mutter, die ja aus Berlin sind, da habe ich die erste Platte mir gekauft, als die raus kam. Da merkte man einfach: Okay, Du kannst was mit deutscher Sprache machen, was nicht peinlich ist. Insofern ein Einfluss, zu dem ich sagen konnte: Ja, das möchte ich eigentlich auch machen. Ich habe keine Ambitionen auf ein internationales Publikum – das schafft auch keine deutsche Band außer vielleicht Can oder Kraftwerk, überregional relevant zu sein. Und das war sozusagen der Impetus – was ist der Bezugszirkel, zu wem spricht man überhaupt? Und wie kann man sprechen?

Buchmann: Das heißt, die Tatsache, dass Sie auch politisch positionierte und engagierte Musik machen, hat auch mit Ihrer Hörerfahrung zu tun.

Castro: Das würde ich sagen, also die Idee zumindest, dass man das in der Musik unterbringen kann.

Buchmann: Ob jetzt Punk, okay, Sie sagen, nicht Punk, vom musikalischen her – oder Rhythm and Blues oder ein bisschen auch Hamburger Schule, auf jeden Fall mit politischen Protesttexten – ist das eine Musik, die gerade jetzt gut passt: Einerseits gibt es die gesättigten Mittelschichten, die auch immer mehr bröckeln, andererseits zunehmendes Auseinanderdriften von Reich und Arm – und große Unsicherheit, wenn man ans Weltgeschehen denkt: Flüchtende, Krisenherde, Terror, wie auch immer. Ist das so, dass so eine Musik, wie Sie sie machen, die Zeit vielleicht auch braucht?

Castro: Ja, das ist schon richtig beschrieben. Wir haben in Deutschland einen bröckelnden Mittelstand, der verunsichert ist und demensprechend so oder so reagiert: Die einen gehen für links auf die Straße, die anderen für rechts. Ich sag mal, um ein paar große Worte zu benutzen: Es gibt ein Unbehagen in der Kultur, was sich wieder manifestiert und die Unterhaltungsindustrie reagiert da drauf mit Nabelschau und Introspektion und Gefühligkeit, Intensivierung von Gefühlen. Und das wird von immer weniger Leute glaube ich geglaubt und ich glaube auch, dass viele Leute uns hören und denken: Ja, jetzt mal Faust aufs Auge: Das ist genau das Richtige.

Buchmann: Was meinen Sie mit Gefühligkeit? Das sind diese Singer-Songwriter, die ihr Innerstes nach außen kehren und wo man sich denkt: Muss man das jetzt wissen…

Castro: Ja, ich nenne keine Namen, aber man muss nur das Radio anschalten und man hört es die ganze Zeit. Leute, die von so starken, übermannenden Gefühlen singen, die genauso viel zu sagen haben wie das Gefühl, das man hat, wenn man den ganzen Tag unter der Dusche steht mit einer Wellness-Dusche.

„Ich hoffe auf eine weniger totalitäre Zukunft“

Buchmann: Haben Sie eigentlich Vertrauen in die Zukunft, habe ich mich gefragt – wenn man Ihren Song „Europa: 2 Frauen“ anhört, in dem Sie zum Beispiel singen: „Auf’s Mittelmeer, auf’s Mittelmeer ziel ich mit dem Schießgewehr. Hey Dönermann! Jetzt bist Du dran! Der Staat sieht sich das erstmal an“ – haben Sie Vertrauen in die Zukunft?

Castro: Bedingt. Ich hoffe auf eine weniger totalitäre Zukunft als das, was sich jetzt in der Türkei gerade anbahnt. Das ist ja geradezu ein faschistischer Staatsstreich. „Europa: 2 Frauen“ ist ein Stück, das spielt auf Frontex an – da sind wir auch schon in der richtigen Region. Eines unserer ältesten Stücke, das habe ich schon vor fünf Jahren geschrieben und da war gerade die Griechenlandkrise in vollem Gange. Deutschland und insbesondere die deutsche Presse ergossen sich in einem Schwall von Hass über Griechenland und seine Bevölkerung, was ich total unmöglich fand. Immerhin ist es ein demokratischer Staat und völlig legitime Sozialsysteme und so weiter. Zur gleichen Zeit kam diese ganze NSU-Geschichte raus, also die Dönermorde entpuppten sich als Rechtsterrorismus, der zum Teil auch noch staatlich gedeckt war, wenn man an den thüringischen Verfassungsschutz denkt und die V-Männer. Dann kommt auf der anderen Seite Thilo Sarrazins sozialchauvinistisches, rassistisches Buch raus und die EU schirmt sich indessen militärisch ab. Menschenrechtswidrige Pushback-Aktionen wurden gegen Flüchtlinge durchgeführt. Das war der Zeitpunkt, als ich das schrieb und da war ich unheimlich sauer. Und was ich merke, ist, dass das Stück nach fünf Jahren immer noch aktuell ist. Und daher ist die Zuversicht, die ich in die Zukunft habe, jetzt etwas begrenzt.

Buchmann: Ist das auch das Stück, in dem Sie singen „Deutschland schafft sich an“?

Castro: Ja, das ist die Anspielung auf Sarrazin. Deutschland hat sich angeschafft.

„Wie sollte man nicht fatalistisch sein?“

Buchmann: Genau, nicht abgeschafft, sondern angeschafft. Die Frage ist: Was bringt es eigentlich, lauthals zu protestieren? Ich habe vor einigen Monaten mit Peter Hein von Fehlfarben gesprochen und der meinte zu einer Frage etwas rheinisch pragmatisch: „Es ist ja eigentlich wurscht, was ich gern hätte oder nicht hätte, das ist im großen und ganzen der Weltläufe als auch der Zustände in irgend einem Land so was von egal. Ich kann sagen: Mir gefällt das und das nicht, aber es wird sich eh nicht ändern. Man kann es ja trotzdem sagen.“ Zitat Peter Hein. Können Sie damit was anfangen? Das klingt ja fast schon fatalistisch.

Castro: Gegenfrage: Wie sollte man nicht fatalistisch sein? Man hat ja immer mitgekriegt, wie Protest und Widerständigkeit sich mal in der Kultur manifestiert und dann bringt es doch nichts. Man ist Don Quichotte, der gegen die Mühlen kämpft. Da kann man nichts machen. Aber auf der anderen Seite ist das ja kein Grund zu schweigen und zu sagen: Das bringt nichts. Ich glaube, dass das schon was bringt, wenn Leute sich manifestieren, wenn Stimmen gehört werden, die vielleicht anders kein Forum haben. Es gibt ja durchaus sprachliche Ebenen, die man eben nicht in den Nachrichten hört. Wie der Engländer sagt: Not the nine o’clock news.

Buchmann: In einer Kritik zum Album hieß es: „Vom Himmel hoch die Polizei“, könnte aktuell zum Soundtrack der Berliner Linksautonomen-Szene in der Rigaer Straße werden. Wie sehen Sie als Wahl-Berliner aus Kreuzberg die Auseinandersetzungen in Friedrichshain zwischen Linken und Polizei oder Politik?

Castro: Das ist wieder mal so ein Fall von halber – jetzt muss ich vorsichtig sein, was ich sage, aber – halber Inszenierung. Es ist provoziert worden, dass dort was passiert, sage ich mal so.

Buchmann: Provoziert worden durch wen?

Castro: Ich formuliere es mal anders: Herr Henkel hätte anders operieren können. Er hätte durchaus was zur Entspannung der Lage beitragen können, das hat er glaube ich mit Absicht nicht gemacht.

Buchmann: Der Innensenator von Berlin …

Castro: Genau. Um sich politisch zu profilieren. Und ich denke, wo Bürgerinteressen gleich subsumiert werden als „Terrorismus“, wie man das leider in der BZ zum Beispiel lesen musste, das finde ich schlimm. Das finde ich eine Diffamierung von Leuten, die Recht haben auf Stadt und (ihrer) der Stadt leben wollen. Ich glaube nicht, dass der Staat das primäre Interesse verfolgen sollte, die Ansprüche von chinesischen Investoren zu verteidigen.

„Das Prinzip der Demokratie wird ausgehöhlt“

Buchmann: Und dennoch kann man sich fragen, ob die Mittel die wirklich richtigen Mittel der Wahl sind.

Castro: Das ist natürlich … Zum Beispiel würde ich es da besser finden, ein Lied zu singen, als ein Auto anzuzünden. Also Autos anzünden ist auch eine Wahnsinns-Umweltverschmutzung, das verstehe ich gar nicht, wie man das machen kann. Aber ich muss noch was dazu sagen: Dieses Stück, das sozusagen vorgeschlagen wurde als Hymne der Aufstände, also „Vom Himmel hoch die Polizei“ meint nicht Polizeihelikopter. Sondern es ist tatsächlich als philosophischer Begriff gemeint, und zwar ganz genau (ist es) bei Jaques Rancière ausgeliehen und zwar geht es da um die Durchsetzung von Ordnung, die Festsetzung von Ungleichheit. Es spielt an auf ein Buch von ihm: „Der Hass der Demokratie“. Und da beschreibt Rancière, wie wir mit bewaffneten (Kräften) versuchen, Demokratie in andere Länder zu exportieren. Das Prinzip der Demokratie wird ausgehöhlt dadurch, dass wir Demokratie exportieren und (gleichzeitig) Waffen exportieren. Mit diesen Waffen installieren wir (…) angeblich die demokratischen Grundwerte, die den Einsatz von Waffengewalt, die „polizeiliche“ Durchsetzung unserer demokratischen Werte, rechtfertigen soll. Die Subjekte dieser polizeilichen Handlung werden nicht gefragt, sondern sie werden stattdessen bombardiert. Wer dann zu uns kommt, weil er an unserem demokratischen Wertesystem teilhaben will, der wird dann im Zweifelsfall abgeschoben. Und darum geht es in diesem Song. Das ist kein Song, in dem es überhaupt um Polizisten geht.

Buchmann: Das ist wieder ein Beispiel dafür, wie kann man Songs, wenn man die Hintergründe nicht kennt, wie kann man sie hören, wie kann man sie lesen, wie kann man sie auf aktuelle Situationen anwenden oder eben auch nicht anwenden. Die Frage, die sich mir noch stellt: Sind Sie ein akribischer Songschreiber, Texteschreiber, der auch richtig daran feilt?

Castro: Überhaupt nicht. Nein, das ist relativ spontan, ich sitze im Café oder so. Kritzel was zusammen, dann bringe ich es zur Bandprobe mit und dann merke ich, was nicht funktioniert und ändere das dementsprechend in der Musik ab. Im Grunde genommen strukturell sieht man das ja auch – das ist vielleicht der große Unterschied zwischen uns und Bands der Hamburger Schule, wie Blumfeld oder so, dass die Texte relativ simpel gestrickt sind.

Buchmann: Das stimmt, das ist ein großer Unterschied. Das wirkt etwas mehr „rausgerotzt“, sage ich mal.

Castro: Ja. Dennoch sind sie nicht primitiv.

Aus dem Neuen Deutschland:

Austreiben!

Black Heino

In einer Zeit, in der das, was einmal Rockmusik hieß, eine ihrer einstigen Funktionen – den in orientierungslosen Heranwachsenden rumorenden diffusen Drang zur Verneinung des schlechten Bestehenden zu bestärken und in ihnen den Impuls zur Subversion zu wecken – vollständig verloren hat, ist eine Gruppe wie Black Heino Gold wert. Gerade heute, wo die sogenannte konformistische Rebellion längst jeden Zipfel der Kulturindustrie durchdrungen hat: Nicht nur H. Fischer, Kollegah, A. Gabalier, E. Sheeran, Heino, Revolverheld, Freiwild & Co. sind auf allen Kanälen allgegenwärtig und spülen mittels des von ihnen ausgestoßenen akustischen Rotzes falsches Bewusstsein in unsere Gehirne. Auch unsere heutigen Jugendlichen sind erschreckenderweise genau die, vor denen ich schon in meiner Zeit als Jugendlicher immer gewarnt habe: Bands spielen bieder-betulichen Schlagerpop oder gleichförmigen Dutzendrock und singen dazu peinliches Zeug, das klingt wie von Seehofer & Gauland persönlich bestellt, irgendein Käse von Heimatliebe, Identitätärä und Schönheit der Arbeit. HipHopper schwanken zwischen AfD- und Erdogangesinnung und posieren in Dauerschleife mit peinlichen »maskulinen Machtergreifungsgesten« (Jens Balzer). Wenn heute einer ausschaut, wie Junge-Union-Mitglieder in den 80er Jahren ausgesehen haben (Polohemd, Bundfaltenhose, Streberfrisur), kann man das ja schon fast als äußeres Zeichen politischer Widerständigkeit gelten. In einer solchen Welt müssen wir heute leben.

Aber wir haben Black Heino, eine Berliner Band, in deren Namen bereits das Bekenntnis zur Gegenkultur anklingt: der schwarze, der andere, der unversöhnliche, der Anti-Heino, nicht mitmachend, ausgestoßen, Minderheit. Gelebtes Außenseitertum, Negation, Widerstand usw. Wir können förmlich das Kruzifix vor unserem geistigen Auge sehen, mit dem der Teufel Heino, reaktionärer »Volkssänger« und Symbolfigur der deutschnationalen Restauration, und seine Dämonen, seine auf Volksgemeinschaftspop getrimmten Wiedergängerinnen und Wiedergänger, die die Charts verstopfen, für alle Zeit geschwärzt, sprich: getilgt, ausgetrieben werden sollen.

Black Heino tun dies mit den schlichten musikalischen Mitteln des scheppernd dengelnden Sixties-Garagenrocks und Drei-Akkorde-Autodidakten-Punkrocks. Auch den Geist der Goldenen Zitronen und der Fehlfarben meint man zeitweise anklingen zu hören. Das hört sich dann so an: »Ich hasse Deutschland / Seine Intellektuellen / Kann mir jemand mal ein Bier bestellen? / ich bin Assi mit Niveau, ich les’ Adorno auf dem Klo.«

Aus dem Ox Fanzine:

CDs/LPs/Singles – Reviews

BLACK HEINO

Fear Of A Black Heino

Sind echt schon wieder zwei Jahre seit dem Debütalbum der Berliner vergangen? Tatsache, „Heldentum und Idiotie“ kam im Frühsommer 2016, seitdem habe ich ehrlich gesagt nicht wirklich was gehört von der Band mit dem offensichtlich doch nicht abmahnfähigen Namen.

Eigenwillig ist ihre Musik immer noch, vier neue Songs gibt’s auf dieser 45-rpm-12“. DIE LIGA DER GEWÖHNLICHEN GENTLEMEN, NOVOTNY TV, BOXHAMSTERS, FEHLFARBEN warf ich seinerzeit in den Raum, dazu stehe ich auch jetzt noch – Peter Hein kommt mir hier gesanglich immer wieder in den Sinn, einmal quer durch die frühe NDW haben sie sich auch gehört – und zitieren im Titelsong mit „Ich bin Asi mit Niveau, ich les Adorno auf dem Klo“ Jürgen Zeltinger.

Ganz groß der erste Song der B-Seite, „Phantom U-Boote“ (auch wenn da ein Bindestrich fehlt, wie ich finde). Kalter-Krieg-Russen-U-Boot-Manie trifft auf Journalistin killenden Raketentüftler oder wie oder was? Man würde es gerne nachlesen, allein, es fehlt ein Textblatt.

Ausnahmsweise wäre ich mal pro Lyric-Video.

Drei Fragen an …BLACK HEINO

Ein Exil-Hamburger-Trio, jetzt in Kreuzberg ansässig. Zwischen „Heldentum und Idiotie“ verorten sie sich selbst ausweislich des Albumtitels, und zwischen Punk-, Garage- und Pub-Rock sitzen sie musikalisch. Und sie provozieren Fragen nach dem blonden Schrecken aus Bad Münstereifel, die mir Diego Castro beantwortete.

Ich dachte, der „schwarze Heino“ sei Roy Black. Was sagt Roy dazu?

Roy dreht sich im Grabe um. Aber nur, damit er jetzt bequemer liegen kann. Jetzt, da wir da sind und das zu Ende bringen, was er mit seiner ersten Band, den CANNONS, nicht vollenden konnte, hat er endlich seinen Frieden.

„Jetzt schnell die Platte kaufen, bevor the Blond Heino seine Anwälte losschicken kann“, empfahl ich in meinem Review zu „Heldentum und Idiotie“. In den Achtzigern musste der „wahre Heino“ sogar in den Knast, weil der angeblich echte Heino ihn dank der korrupten Klassenjustiz der BRD verklagen durfte.

Es gibt für uns nur einen wahren Heino und das ist Norbert Hähnel! Den anderen würden wir gar nicht anerkennen. Sollte die singende Konditor-Innung tatsächlich auf Unterlassung klagen, benennen wir uns einfach um in RAY BLOCK & THE BASEDOW BLONDIES!

„Schwarzbraun ist die Haselnuss, schwarzbraun bin auch ich“, singt der blonde Heino. Was singt ihr?

Botanik kommt bei uns als Thema kaum vor. Auch die Kombination von Schwarz und Braun mögen wir nicht so, das hat so was von Herrentorte für Herrenreiter. BLACK HEINO verbreiten prollige Parolen zur Philosophie der Zeit. Das ist nicht mal nur ein dummer Spruch! So inspirierte mich Jacques Rancières Büchlein „Der Hass der Demokratie“ zum Beispiel zu dem Song „Vom Himmel hoch die Polizei“, in dem es darum geht, wie wir unsere demokratischen Werte in Schurkenstaaten exportieren und dem mit Bombardements auf die Zivilbevölkerung Nachdruck verleihen.

Joachim Hiller

Aus der Intro:

Heldentum und Idiotie

Black Heino

Die Assoziationsmaschine findet auf diesem Debüt abseits des Bandnamens noch viele weitere Perlen: Zwischen NDW, Tiefgaragenrock und 1960er-Beats lagern einige Fundstücke deutscher Politrock-Geschichte.

Geschrieben am
05. Juli 2016, 11:43
 

Text: Klaas Tigchelaar

Mitunter wirken Bandbeschreibungen mehr als Stolpersteine, als dass sie Klarheit schaffen. Aber ein Neuling will ja schließlich auch charakterisiert werden. Bei Black Heino kommen nun 1960er-Garagenrock, Pub-Rock und Hamburger Schule auf ein Factsheet, das man eigentlich viel einfacher füllen könnte. Das in Berlin angesiedelte Trio teilte sich nicht ohne Grund schon mit den Fehlfarben die Bühne, es klingt auch wie die Fortführung des politisch gefärbten NDW-Punk-Wave-Aufbruchs der frühen 1980er. Sänger Diego Castro kommt gar wie das mitreißende Plagiat von Fehlfarben-Frontmann Peter Hein rüber. Hommage statt Parodie selbstverständlich, denn Black Heino sind ruppig, beglückend holprig und wirken in der stilsicheren Garagen-Produktion von Moses Schneider absolut überzeugend aus der Zeit gefallen. Ein schepperndes Schlagzeug und derbe, bloß minimal verzerrte Schrammelgitarren duellieren sich mit hektischem Gesang, Fuzz-Gitarrensoli und flinken Bassläufen. Das würde für einen schlauen Achtungserfolg schon reichen, textlich gibt es hier aber auch noch einiges zu holen: Gesellschaftskritik zu Guido Knopp, Eigenheimen und der Flüchtlingskrise in knapp 40 Minuten. »Weniger Staat hab ich mir anders vorgestellt« oder »Einverstanden mit Ruinen« müssen da als popkulturelle Text-Köder eigentlich den Pflichtkauf besiegeln.

Aus der MOPO Hamburg:

Weder grau noch braun Black Heino kommt nach Hamburg

Was für ein Name: Black Heino heißt die Kreuzberger Band, die keinen Bock mehr auf die politische Verarsche der herrschenden Klasse hat und Rockmusik vom Allerfeinsten macht. Ich habe sie als Vorgruppe auf einem Konzert von Fehlfarben im Hafenklang gesehen. Und ich lege mich hier fest: Black Heino werden eine große Zukunft haben.

„Wir sind weder Grau- noch Braunzone. Black Heino machen keine Hipster-Kacke. Haltung ist ihnen wichtiger als Posing. Heimatgefühl ist eine Darmkolik. Neoliberalismus ist Horror“, heißt es auf der Homepage. Und genauso ist es, und es ist gut. Mit unglaublicher Wut im Bauch, smarten Texten und lieber „raubeinig statt glattrasiert“ rocken die Jungs, die ursprünglich aus der Region Stade/Buxtehude kommen, gegen den Irrsinn in der „bundesrepublikanischen Abstiegsgesellschaft“ an.

Megastark der Song „Europa: Zwei Frauen“, in dem die jetzigen Krisen analysiert werden („Deutschland hat sich angeschafft“). Super auch die Abrechnung mit Weltkriegserklärer Guido Knopp („Der Krieg ist ein Spiel aus Mark und Bein/ Sag mal Guido, was fällt Dir eigentlich ein?“) sowie die Lieder „Eigenheim“ und „Weniger Staat“. Macht kaputt, was euch kaputt macht! Die Polit-Rocker Ton Steine Scherben lassen grüßen.

Nach all der Lobhudelei bleibt aber trotzdem die Frage, warum sich eine geile Band einen so bescheuerten (genialen?) Namen gibt? „Der Name sollte beknackt sein! Black Heino steht für eine Art Anti-Heino. Der Name ist ein Spiel mit vielen Klischees. Manche finden das lustig. Anderen schießt die Moralinsäure hoch. Die sind uns dann schon auf den Leim gegangen“, sagt Sänger Diego Castro.

Wie auch immer – Black Heino wird man sich nicht nur wegen des Namens merken.
CD: „Heldentum und Idiotie“; das Album erscheint am 8. Juli sowohl als CD als auch als LP auf Vinyl bei Tapete.

Aus „Klenkes.de“:

  1. JULI 2016

Black Heino mit „Heldentum und Idotie“

Tonträger

Black Heino, laut Eigenbeschreibung nach Berlin gezogene Sitzenbleiber der Hamburger Schule, rotzen mit „Heldentum und Idiotie“ ein Sudelbuch des urbanen Lebens raus, das sich seit Jahren nicht gewaschen hat.

Garagenrock im besten Sinne, produziert von Moses Schneider. „Eigenheim“, der Abgesang an den Rückzug der ehemaligen Bohemiens ins Spießerdasein, „Einsamkeit“, die nölende Selbstvergewisserung desjenigen, der in fortgeschrittenen Jahren die Fahne des Nachtlebens hochhält.

Das alles auf griffigen, kratzigen 60s Punk-Riffs, die sich sofort ins Hirn fräsen. Aber was Black Heino so groß macht, ist dann doch der Gesang von Diego Castro. Phrasierungstechnisch oft dicht an Iggy Pop, in der verächtlichen Verausgabe aber Fehlfarbens Peter Hein wie aus der Stimmritze geschnitten.

Seinen Höhepunkt findet das in der resignativen Zustandsbeschreibung „Weniger Staat hatt‘ ich mir anders vorgestellt“, ein Satz, den man gesungen hören muss, damit er in die Herzrinde eindringt. Und so ist der Albumtitel nicht nur eine Verbeugung vor Fehlfarbens „Monarchie und Alltag“, sondern vielleicht stellt Black Heinos Debut genau so ein Stimmungsbild fürs Jetzt dar, wie einst der NDW-Meilenstein.  \kk

Spiegel Online schrieb:

Die besten Punksongs sind ja immer die, bei denen man gar nicht so richtig zuhören muss: Geht ja eh meistens nicht, je heiserer oder schriller gegrölt wird. „Eigenheim“ der Berliner Band mit dem in selige Anti-Alles-Achtzigerjahre verweisenden Namen Black Heino ist so ein Song: Man braucht nur das im Jello-Biafra-Stil geheulte Reizwort „Eigenheim“ im Refrain und ein paar knüppelnde Who- oder Kinks-Riffs, der Rest ist egal. Eigenheim, das evoziert Reihenhaus im Grünen ebenso wie Altbauwohnung oder Datsche in der Uckermark und schreit ganz laut „Spießer“.

Diego Castro, Kpt. Plasto und Max Power kommen laut Label-Info ursprünglich aus dem Hamburger Süden und wuchsen, logisch, in den Achtzigern auf. Ihre Musik streckt sich nach Iggy Pops „The Idiot“ (siehe Cover) ebenso wie nach dem Frust-Beat der Sixties und dem Polit-Rock des deutschen Herbstes und der Kohl-Jahre (siehe Fehlfarben-Hommage im Albumtitel). Der RAF-Terror und der damit verknüpfte, gern romantisch verklärte Revolutionsgestus wird dann auch in „Die Rache von Jürgen Ponto“ zelebriert, denn das Kapitalismussystem hat natürlich gewonnen, „geh zur Maschine und prüf mal dein Konto“. Mit „Guido Knopp“ wird noch eine (gerade erst vergessene) bundesdeutsche Symbolfigur aus der Mottenkiste geholt, so kurz sind die Zyklen des retrospektiven Pop-Wiederkäuens inzwischen schon.

Aber man will nicht meckern: „Heldentum und Idiotie“ trifft zwischen imitierten Posen der Vergangenheit und authentischer Zustandsbeschreibung oft die richtigen, rohen Töne. „Weniger Staat hab ich mir anders vorgestellt“, klagt Castro im Sterne- und Blumfeld-Duktus über Überwachung und Datensammelwut, in „Der Osten“ geißelt er Nazis und Antimodernisten – und im dystopischen Epos „Europa: Zwei Frauen“ fabuliert er von „goldenen Horden aus dem Norden“ und schlechten Träumen vom Sex mit Beate Zschäpe.

Jeder Song rangelt und strampelt sich mit angenehmer Dringlichkeit ins Spektrum gesellschaftlicher Relevanz und Zeitgeistdiagnose – bis hin zur Polizeigewalt-Sottise „Vom Himmel hoch die Polizei“, das aktuell zum Soundtrack der Berliner Linksautonomenszene in der Rigaer Straße werden könnte. Das Erschreckende an Black Heino ist nicht, dass sie Protestpunk und BRD-Blues so unverschämt gut reproduzieren. Das Erschreckende daran ist, dass dieser vermeintlich gestrige Sound so perfekt in die Gegenwart passt. (7.7) Andreas Borcholte